Gratwanderung im Bohren gemeistert
Die optimale Abstimmung von Schnittdaten zu Werkzeugstandzeit ist der Schlüssel für eine wirtschaftliche Zerspanung. Wenn es gilt, unglaubliche 290.000 Durchgangsbohrungen herzustellen, sind diese Faktoren umso bedeutender. Der Linzer Großteilefertiger Bilfinger Maschinenbau erhielt den Zuschlag für dieses nicht alltägliche Bearbeitungsprojekt. Das modulare Bohrsystem KSEM™ von Kennametal konnte dabei seine Stärken absolut ausspielen. Von Ing. Robert Fraunberger, x-technik
Neben der eigentlichen Fertigung bieten die Linzer ebenso eine fachspezifische Beratung und Unterstützung bei der Erstellung fertigungsgerechter Zeichnungen und Spezifikationen an. „Auf Wunsch übernehmen wir gerne Engineering-Dienstleistungen oder Konstruktionsaufgaben“, skizziert Gattringer, der mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Großteilebearbeitung mitbringt, die kundenorientierte Ausrichtung von Bilfinger Maschinenbau. Detailengineering, Fertigungsberatung, Werkstoffprüfungen, Maschinenmontagen und Reparaturen ergänzen somit das Angebot. Diese breite Leistungspalette ermöglicht die sichere und kostengünstige Verarbeitung von vor allem hochwertigen Stählen, aber auch Aluminiumkomponenten, Super Alloys, Sphäroguss- oder Nickelwerkstoffe.
Die aktuelle wirtschaftliche Situation ist laut Gattringer sehr gut, obwohl der Energiebereich in den letzten Jahren generell stagniert. „Wir sehen vor allem aufgrund der aktuell stattfindenden Marktbereinigung wieder gute Wachstumschancen und sind sehr positiv für die Zukunft gestimmt.“
Mechanische Bearbeitung von Großteilen
Die Präzisionsbearbeitung von außergewöhnlich großen Werkstücken ist die eigentliche Spezialität der Linzer. „Der leistungsfähige Maschinenpark sowie vor allem auch die jahrelange Erfahrung unserer Mitarbeiter gewährleisten höchste Qualität und Termintreue“, betont der Fertigungsleiter. Das Bearbeitungsangebot reicht, wie bereits erwähnt, von Turbinenlaufrädern aller Art über Bauteile mit komplexen Freiformflächen bis hin zu schwersten Gehäusen und Komponenten für Kraftwerke. Demensprechend ist auch der Maschinepark ausgerüstet.
In den großzügigen Fertigungshallen, die für das Handling von Stückgewichten bis 300 t ausgelegt sind, befinden sich Karusselldrehmaschinen, Bohr-Fräswerke und verschiedene Bearbeitungszentren, die eine Zerspanung von Bauteilen und Komponenten bis 17,5 m Durchmesser, 24 m Länge und 6,5 m Höhe ermöglichen.
Nicht alltägliches Projekt
Im Frühjahr 2019 hat man in Linz einen zwar typischen Auftrag über Großteilebearbeitung erhalten, welcher jedoch aufgrund der enormen Anzahl der zu erstellenden Bohrungen nicht alltäglich war. Denn rund 18.000 Durchgangsbohrungen mussten in jede der 16 zu fertigenden Halbrundplatten mit Durchmesser 8.000 mm und Dicke von 100 bzw. 115 mm aus SA-516 Gr.70 (DIN 1.0565) eingebracht werden. In Summe also unglaubliche 290.000 Bohrungen mit zwei unterschiedlichen Durchmessern von 27,5 bzw. 34,6 mm.
Dem Team bei Bilfinger Maschinenbau war von Anfang an klar, dass hier für einen wirtschaftlichen Erfolg ein optimal abgestimmtes Bearbeitungskonzept mit gleichzeitig effizienten Bohrwerkzeugen erforderlich ist. Als Bohrwerk wurde eine Skoda W200T definiert – der Werkzeugpartner war jedoch offen.
Roland Breitenbaumer, verantwortlich für die CNC-Programmierung dieser Bauteile, lud daher die in Frage kommenden Hersteller ein, um ein prozesssicheres Bearbeitungskonzept samt Werkzeugauslegung auszuarbeiten. „Vorrangig kontaktierten wir unsere langjährigen Werkzeuglieferanten. Denn neben einer hohen Wirtschaftlichkeit war uns natürlich auch entsprechendes Know-how und Verlässlichkeit sehr wichtig.“
Überzeugende Schnittwerte und Standzeiten
In dem Auswahlverfahren samt Probebearbeitungen konnte sich schließlich Kennametal Österreich mit dem für Bilfinger überzeugendsten Angebot durchsetzen. Ausschlaggebend war einerseits die möglichen Schnittwerte im Verhältnis zur Standzeit und somit die Bearbeitungszeit, andererseits aber auch die Möglichkeit, die Schneidkörper zweimal nachzuschleifen. „Als wir von dem Projekt erfahren haben, war uns sofort klar, dass hier das unserer Meinung nach stabilste Bohrsystem der Branche zum Einsatz kommen muss“, bringt sich Stefan Lesser, Technische Beratung und Verkauf bei Kennametal Österreich, ein.
Konkret hat Kennametal für die beiden Durchmesser zwei Bohrwerkzeuge basierend auf dem modularen Bohrsystem KSEM™ ausgelegt. Mit einer Hauptzeit pro Bohrung von 11 bzw. 12 sec. bei einer Schnittgeschwindigkeit (vc) von bis zu 130 m/min und einem Vorschub pro Umdrehung (fn) von bis zu 0,5 mm/U hat man damit einen Standweg von 50 m erreicht. „Das modulare Bohrsystem KSEM™ überzeugt generell durch eine hohe Verschleißfestigkeit und Flexibilität vor allem bei großen Bohrtiefen und -durchmessern. Aufgrund des extrem robusten Plattensitzes mit vier Anlageflächen sind zudem sehr lange Standzeiten der auswechselbaren Schneidkörper und des Werkzeugkörpers möglich“, erklärt Florian Grabmair, Anwendungstechniker bei Kennametal. Das Standard-Werkzeugprogramm bietet Bohrungstiefen bis 10 x D bei einem Durchmesserbereich von 12,5 bis 40 mm an.
Zum Einsatz kommt die Sorte KC7315™, die über eine PVD-Mehrlagenschicht auf TiAIN-Basis verfügt. „Diese ermöglicht speziell in der Anwendung bei Stahl sehr hohe Schnittgeschwindigkeiten“, ergänzt Lesser weiter. Die Schneidplatte in HP-Ausführung gewährleistet geringe Axialkräfte und verhindert somit eine Durchbiegung des Werkstücks. Zusätzlich erhöht die gute Eigenzentrierfähigkeit die Genauigkeit der Bohrungen. In der praktischen Anwendung erfolgte dann aufgrund von unterschiedlichen Gefügen bzw. Materialspannungen noch eine genaue Abstimmung der Schnittwerte, um auch eine optimale Standzeit zu erreichen. „Mehr als erschwerend für die Berechnung der Standzeit vorab war die Tatsache, dass wir es hier mit 18.000 Eintritten und natürlich 18.000 Austritten pro Bauteil zu tun hatten (Anm.: Stichwort Späneklemmer). Da mussten wir zu Beginn natürlich noch feinjustieren und optimieren“, zeigt Lesser die enorme Quantität des Auftrags auf.
Nachschleifbare Schneidkörper
Sehr positiv war für Bilfinger Maschinenbau, wie bereits erwähnt, die Tatsache, dass die verwendeten Schneidkörper bis zu zweimal nachgeschliffen werden können – inklusive Abholservice. „Das reduzierte natürlich unsere Verschleißkosten erheblich. Kennametal ist uns hier mit einer Bearbeitungszeit von lediglich zwei Wochen sehr entgegengekommen“, freut sich Roland Breitenbaumer über die hohe Flexibilität des Werkzeugpartners.
Erfolgreiche Zusammenarbeit
„Das Projekt war für uns aufgrund der enormen Anzahl an Bohrungen definitiv einzigartig und anfänglich hatten wir ehrlicherweise auch Bedenken, ob unsere berechneten Werte passen. Wenn man da zehn Meter Standweg pro Schneide daneben liegt, kann man sich den Schaden vorstellen. Wir mussten daher die Gratwanderung zwischen optimaler Bearbeitungszeit und Standzeit meistern. Und ich denke, dass wir da ein sehr gutes Mittel gefunden haben und somit das Projekt erfolgreich abschließen konnten“, zeigt sich Stefan Lesser zufrieden.
Auch wenn man die anfänglich prognostizierten Werte aufgrund von Maschinenstabilität, Werkstoffeigenschaften etc. nicht ganz erreichen konnte, ist man seitens Bilfinger Maschinenbau mit der Zusammenarbeit absolut zufrieden: „Neben einer vorbildlichen Kommunikation und Unterstützung seitens der Anwendungstechnik von Kennametal verlief auch das Nachschleifservice tadellos. Kennametal hat bei diesem Projekt seine Kompetenz im Bereich der Bohrungsbearbeitung definitiv einmal mehr unter Beweis gestellt“, bestätigt Roland Breitenbaumer abschließend.
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